Bürgermeister Ludwig und Vize-Bürgermeister Wiederkehr im großen Doppelinterview

Video: Doppelinterview Bürgermeister Ludwig und Vizebürgermeister Wiederkehr

W24 Chefredakteur Hannes Huss und MEIN WIEN Redakteurin Christine Oberdorfer diskutieren mit Bürgermeister Michael Ludwig und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr über die aktuellen Themen der Stadt. Im großen Doppelinterview sprachen sie über 3 Jahre rot-pinke Koalition, Abfederung der Teuerung, leistbares Wohnen, Bildung, Klimaschutz und Demokratie:

Krisen begleiten die bisherigen 3 Jahre Regierungskoalition. Viele Menschen sind verunsichert. Was bedeutet das für die Politik in Wien?

Michael Ludwig:

Wir hatten eine Reihe von Krisen zu bewältigen: Corona mit gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen; dann die Krise im Nahen Osten mit dem Anschlag der Hamas auf die israelische Bevölkerung, dem Gegenschlag im Gazastreifen und den Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung; aber auch der Krieg in der Ukraine, ausgelöst durch die Invasion Russlands. Das alles hatte Auswirkungen auf den Energiemarkt, auf den Wirtschaftsstandort Wien - aber besonders auf die Menschen. Es war uns ein Anliegen, dort einzugreifen, wo wir als Stadt die Möglichkeit dazu haben. Vor allem müssen wir mit der hohen Inflation umgehen. Das fordert den Wirtschaftsstandort, aber auch die Haushalte. Darum haben wir eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg gebracht - unter anderem eine Unterstützung für den Bereich Energie und eine, um das Wohnen zu entlasten. Die Regierungsklausur war ein wichtiger Schritt, um weitere Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.

Christoph Wiederkehr:

Es stimmt, dass die Regierungsarbeit von Krisen bestimmt war. Dabei darf aber nicht zu kurz kommen, die Zukunft zu gestalten. Wir helfen treffsicher jenen, die es am meisten brauchen. Die Abschaffung der GIS-Landesabgabe bringt jedem Haushalt rund 70 Euro im Jahr. Außerdem investieren wir in Bildung, denn sie ist das wichtigste Element für ein selbstbestimmtes Leben. Hier entlasten wir die Familien zum Beispiel über ein kostenloses Mittagessen in Ganztagsschulen.

Diese Unsicherheit wird politisch auch ausgenutzt. Wie reagieren Sie auf solche Versuche?

Michael Ludwig:

Wichtig ist, sich auf die Sachpolitik zu konzentrieren. Wir unterstützen die Menschen. In diesem Zusammenhang fordere ich eine neue Kultur in der Politik, die die Sache in den Vordergrund stellt und nicht das politische Klein-Klein. Das hilft niemandem.

Über der Regierungsklausur stehen die Schlagworte lebenswert und leistbar. Warum gerade diese?

Michael Ludwig:

Wir sind in internationalen Rankings bei der Lebensqualität immer an der Spitze gereiht. Aber die große Herausforderung ist, diese hohe Lebensqualität mit Leistbarkeit zu verbinden. Daher kümmern wir uns darum, dass die Wirtschaft wettbewerbsfähig bleibt und wir die Lebensbedingungen so gestalten, dass sich alle sozialen Gruppen diese hohe Lebensqualität leisten können - von der Bildung über die Gesundheit bis zur Kultur. Es ist auch kein Zufall, dass wir die Klausurtagung im neuen Wien Museum hatten. Wir bieten dort - im ersten Museum dieser Art in Österreich - einen kostenlosen Zugang. Wir reden nicht nur, wir setzen um. Unter dem Motto: Kultur für alle.

Christoph Wiederkehr:

Wien ist eine unglaublich lebenswerte Stadt. Darauf ruhen wir uns aber nicht aus, wir entwickeln die Stadt weiter. Stichworte: Grünraum schaffen und gleichzeitig die notwendige Infrastruktur für die wachsende Stadt. Und im internationalen Vergleich ist Wien leistbar, auch wenn die Mieten im privaten Bereich bei uns ebenfalls steigen. Hier ist es notwendig, die Menschen zu entlasten und in den Ausbau des Wohnbaus zu investieren. Glücklicherweise gibt es in Wien noch Stadtentwicklungsgebiete, die moderne Infrastruktur, zum Beispiel in den Bereichen Bildung und Gesundheit, ermöglichen.

Ein bedeutender Kostenfaktor ist das Wohnen. Welche Maßnahmen sind geplant, um hier zu entlasten?

Michael Ludwig:

Wir haben einen großen Anteil an geförderten Wohnungen. Das soll so bleiben. In der Bauordnung haben wir festgelegt, dass bei Neubauten 2 Drittel geförderte Wohnungen dabei sein müssen. Wir haben den Wohnbonus für Mieter*innen ausbezahlt, die eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreiten. Über 600.000 Haushalte haben wir so unterstützt. Gleichzeitig haben wir einen Bonus für die Mieter*innen im Gemeindebau festgelegt und jetzt auch beschlossen, die Mieterhöhungen für die kommenden zwei Jahre überhaupt auszusetzen. Dazu kommt die ausgeweitete Wohnbeihilfe.

Was wird getan, um speziell Familien durch finanziell herausfordernde Zeiten zu helfen?

Christoph Wiederkehr:

Es ist ein großer Schwerpunkt, die Familien zu entlasten - vor allem, wenn es um Bildung geht. Schulen haben ein Budget für Unterrichtsmaterialien und es gibt Unterstützung für Schulveranstaltungen. Was mir wichtig ist, ist der Ausbau der kostenlosen ganztägigen Schulformen. Das ist gut für die Kinder und für die Vereinbarkeit von Job und Familie.

Es gibt inzwischen mehr als 100 Ganztagsschulen. Wie wird das Angebot angenommen?

Christoph Wiederkehr:

Sehr gut, und der Bedarf bei Kindergarten und Schule wird immer höher. Schon mehr als 100.000 Schulkinder profitieren vom ganztägigen Angebot. Darum investieren wir massiv in die schulische Infrastruktur. Für mich ist die ideale Schule die, in die Kinder gern gehen und wo sich Talente entfalten können.

Thema Klimaschutz: Sind wir dem Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden, näher gekommen?

Michael Ludwig:

Das ist ein ehrgeiziges Ziel, aber wir haben Maßnahmen gesetzt, um es zu schaffen. Ganz wichtig ist der öffentliche Verkehr. Wir haben mehr Bezieher*innen der Jahreskarte als Autobesitzer*innen. Wir erweitern das Netz der U-Bahnen und Straßenbahnen. Und wir setzen auf den Ausbau alternativer Energieformen. Wir errichten Photovoltaik-Anlagen, bauen Großwärmepumpen und investieren in Geothermie.

500.000 Gasheizungen gibt es noch in Wien, sogar noch 50.000 Gasherde. Und ein Heizungsumbau ist teuer. Wird es weitere Anreize oder Fördermaßnahmen geben?

Michael Ludwig:

Wir unterstützen die Eigentümer*innen, aber auch die Mieter*innen. Wenn man zum Beispiel den Gasherd gegen einen strombetriebenen Herd tauscht, gibt es dafür rund 1.000 Euro. Wenn das ganze Haus umsteigt, kann das auf 1.500 erhöht werden. So werden wir "Raus aus Gas" sehr konsequent und schnell umsetzen können.

Christoph Wiederkehr:

Das ist aus meiner Sicht nicht nur wichtig, um CO2-neutral zu werden, sondern auch, um zum Beispiel von russischem Gas unabhängig zu sein.

Heuer stehen die EU-Wahlen an. Wie wichtig ist Stabilität in Europa für Wien?

Michael Ludwig:

Sehr wichtig. Zu Recht hat die Europäische Union den Friedensnobelpreis bekommen. Wir sind gewohnt, in Frieden zu leben. Und wir sehen jetzt, wie schnell es Krieg geben kann. Nur ein gemeinsames Europa kann so stark sein, dass wir einerseits wirtschaftlich bestehen können, aber auch unsere Form des Zusammenlebens, die Demokratie, in Zukunft leben können. Unser demokratisches System müssen wir verteidigen - gemeinsam in Europa. Es gibt vieles zu kritisieren, zum Beispiel wünschen wir uns ein sozialeres Europa. Aber an den Grundlagen zu rütteln, davon halte ich nichts.

Christoph Wiederkehr:

Bei dieser Wahl entscheidet sich, in welche Richtung Europa geht. Die Nationalisten und Populisten wollen eine Festung Österreich. Ich bin der Auffassung: Wir brauchen mehr Europa, um die großen Fragen zu lösen: Sicherheit, Außenpolitik, Klimaschutz. Wien ist eine starke Stimme für Europa. Die europäische Integration sichert unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und den Frieden.
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